Lieber schnell als gut

 

Kaum hat sich das von vielen ersehnte und etliche Male herbeigeschriebene Ende der Ampelkoalition bewahrheitet, gibt es in diesem Zusammenhang schon wieder das nächste politische Halali, das ausgerufen wird, um den Gegner endgültig zu Fall zu bringen. Der Zeitpunkt, an dem Bundeskanzler Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellen und damit schließlich erwartungsgemäß scheitern soll.

Die Oppositionsparteien – allen voran CDU/CSU, die AfD und das BSW – können es gar nicht mehr abwarten, wie es scheint. Natürlich hat das etwas mit den aktuellen Umfragewerten zu tun, die der Union eine deutliche Mehrheit von 32-33% bescheren. Dies würde zwar lange nicht für eine absolute Mehrheit reichen, aber eben einen komfortablen Vorsprung vor der zweitplatzierten AfD mit ca. 17-18% bedeuten. Die SPD wäre mit derzeit etwa 15-16% weit von ihrem Ziel entfernt, stärkste Kraft im Bundestag zu werden. Die Grünen kämen auf etwa 12% und das BSW auf ca. 6%. FDP und Linke müssten beide um den Wiedereinzug in den Bundestag zittern.

So weit, so verständlich, aber eben nicht gut. Der von Scholz zunächst vorgesehene Zeitpunkt 15. Januar für die Vertrauensfrage würde dann wahrscheinlich am 9. März zur Neuwahl des Bundestages führen. Dieses Szenario begrüßt offenbar auch die Bundeswahlleiterin Ruth Brand, die sich in einem Schreiben an den Kanzler dazu geäußert hat und darum bat, den Termin möglichst nicht weiter nach vorn zu schieben. Vorbereitungen zur Briefwahl, das Suchen und die Einarbeitung von Wahlhelferinnen und Wahlhelfern in jedem Wahlkreis bundesweit, sowie die anstehenden Weihnachtsferien spielen bei ihren Überlegungen eine nachvollziehbare Rolle. Brand ist mit Sicherheit über jeden parteipolitischen Winkelzug erhaben, ansonsten hätte sie dieses Amt nicht inne, also muss man ihre Fachexpertise auch als solche annehmen.

Nicht so jedoch die besagte Opposition. Auch nicht die in ihrem Sinn arbeitenden Medien, wie etwa BILD. Das populistische Hetzblatt (anders kann ich es wahrhaftig nicht mehr bezeichnen) titelt gerade heute (9.11.24) wieder mit großen Lettern: „Warum lässt man uns nicht wählen?“, als würde die Bundesregierung absichtlich Zeit verstreichen lassen, um den Wählerinnen und Wählern ihr Recht auf freie Wahlen zu nehmen.

Der Druck auf Olaf Scholz scheint wieder einmal so groß zu werden, dass er nun schon Überlegungen anstellt, seine Vertrauensfrage eventuell doch noch vorzuziehen. Das eigentliche Vorhaben, wichtige politische Entscheidungen zu treffen, die jetzt angesichts multiliteraler Krisen der Wirtschaft und der Geopolitik keinen Aufschub mehr dulden, wird damit zu den Akten gelegt. Eigentlich wollte sich die Restkoalition aus SPD und Grünen mit der Union auf einige dieser Entscheidungen im Hinblick auf Wirtschaftsförderung, Energiepreissenkung und Unterstützung der E-Mobilität zu einigen versuchen. Aber dieser Versuch wird schon allein daran scheitern, dass ab sofort der Wahlkampf beginnt und man dem politischen Gegner keinerlei Erfolg mehr gönnt, der vielleicht doch die eine oder andere Wählerstimme für ihn bringt.

Die angebliche Verantwortung für das Land, die Friedrich Merz jüngst ganz staatsmännisch verkündete, wird im Wahlkampfgetöse untergehen und so zu eher verantwortungsloser Verzögerung wichtiger Problemlösungen führen. Ganz zu schweigen von der Frage, wie sich der wahrscheinliche Wahlsieger der nächsten Bundestagswahl dann wohl zu den Themen verhält. Seine Offerte an Christian Lindner, der im Fall einer schwarzgelben Koalition erneut Finanzminister werden könnte, zeigt, dass Merz überhaupt nicht verstanden hat, worauf es nun ankommt, um die wirtschaftlichen und sozialen Probleme dieses Landes und auch der EU anzupacken. Alte neoliberale Rezepte aus der Urzeit der 1980er und 1990er Jahren gepaart mit Populismus und nationalistischen Tendenzen für den rechten Rand sind es jedenfalls nicht.

Für die kommende Wahl bedeutet das zudem, dass sie demokratisch, qualitativ hochwertig und juristisch unangreifbar für die Feinde der Demokratie durchgeführt werden muss. Da darf es nicht heißen: Lieber schnell aus gut.       

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