Die EU auflösen? Europa zwischen den Interessen der Mächte
Elon Musk verlangt, dass die EU aufgelöst werden soll.
Das zumindest schreibt er auf seiner Plattform X und hat diese Forderung auch
in seinem Profilbild hinterlegt. Hintergrund ist offenbar seine Verärgerung
gegenüber der Europäischen Union, die ihn zu einer Strafzahlung von insgesamt
120 Millionen Euro verurteilt hat, da Nutzer seines Netzwerkes keine
transparente Sicht auf sogenannte Fake-Profile bekommen können – also ob sie es
mit realen Personen oder sogenannten Bots etc. zu tun haben, die z.B. politische
Einflussnahme durch tausendfache Posts zu bestimmten Themen generieren.
Der früher als zwar verschroben aber extrem innovativ
gegoltene Milliardär hat spätestens seit seiner engen Zusammenarbeit mit Donald
Trump eher den Hang zum faschistoiden Größenwahn entwickelt, der ihn leitet und
den er auch durch zahllose Äußerungen bestätigt.
Was bisher jedoch lediglich zu einigen Schlagzeilen, aber
ohne politische Folgen geführt hätte, ist unter heutigen Bedingungen der
Weltlage leider nicht mehr nur als lächerliche Eskapade eines überkandidelten Superreichen
zu betrachten. Musk hat bei seinen Tiraden gegen die EU die US-amerikanische
Regierung von Trump offensichtlich voll hinter sich. Außenminister Rubio, der
in der Riege des Kabinetts noch als halbwegs verlässlich und realistisch gilt,
äußert sich extrem kritisch gegenüber der Strafzahlung, bezeichnet sie als
Zensur und nennt sie gar einen „Angriff auf das amerikanische Volk durch
ausländische Regierungen“.
Zuvor hatte bereits die aktuelle außenpolitische Bilanz
der US-Regierung Aufmerksamkeit erregt, sieht man doch in Trumps Kreisen einen
angeblichen Niedergang der Demokratien in Europa, der u.a. durch zu starke
Zuwanderung erfolgen würde. Die Meinungsfreiheit sei gefährdet und nur
nationalistische Parteien wie etwa die AfD seien noch ein „Hoffnungsschimmer“. In
diesem Pamphlet wird mehr als deutlich, dass die vermeintlich gleichberechtigte
Partnerschaft der „westlichen Werte“ zwischen den USA und ihren Verbündeten nun
endgültig vorbei sein dürfte.
Die Reaktionen darauf sind unterschiedlich, aber zumeist
geprägt von der Furcht, tatsächlich die Partnerschaft mit dem „großen Bruder“
USA zu verlieren. Während sich einige Politiker wie Bundesaußenminister
Wadephul halbwegs kritisch äußern und sich Einmischungen in innere
Angelegenheiten von souveränen Staaten wie der Bundesrepublik verbitten,
versucht die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas die Wogen durch entsprechende Floskeln
wie „die USA seien nach wie vor der größte Verbündete“ zu glätten.
Im Hintergrund wird sicher das Entsetzen über die
Fortsetzung der Abspaltung der USA von ihren Verbündeten riesengroß sein. Es
wird wieder einmal ersichtlich, dass Trump lediglich egoistische Ziele im Blick
hat und eine dementsprechende Politik zu seinen Gunsten betreibt. Das wird seit
Wochen z.B. durch die undurchsichtigen und über die Köpfe der Betroffenen
hinweg durchgeführten Machenschaften um einen sogenannten Friedensplan für die
Ukraine mehr als deutlich. Nur mit Mühe haben sich führende Vertreter der EU,
wie Bundeskanzler Merz, Frankreichs Präsident Macron und der britische Premierminister
Starmer in die Pläne einklinken können und haben damit vielleicht das
Schlimmste verhindert, wenn auch nicht wirklich aufgehalten. Trump hat nach wie
vor nur seine „Deals“ im Blick und würde dafür auch Verbindungen kappen, die
seit Jahrzehnten bestehen oder imperiale Absichten Russlands akzeptieren –
hauptsache es kommt ein finanzieller Vorteil für ihn und seine engsten Vertrauten
und seine Familie dabei heraus.
Angesichts dieser Weltlage ist es nur eine Frage der
Zeit, bis die EU entweder militärisch oder wirtschaftlich zwischen solchen
Mächten wie Russland, China oder eben auch den USA zerrieben wird. Die Kleinstaaterei
der einstigen Wirtschaftsunion führt inzwischen dazu, dass sie auf der
politischen Weltbühne nicht mehr ernst genommen wird. Das zeigt sich z.B. an
dem sogenannten Zolldeal mit Trump, der mit seinen despotischen Methoden dafür
sorgt, dass viele Wirtschaftsbranchen in Schieflage geraten, weil sie „nur“ 15%
Zölle auf die Einfuhr ihrer Waren zahlen müssen, während amerikanische Produkte
praktisch schrankenlos in die EU importiert werden.
Notwendig wäre aus meiner Sicht aber nun eine vollkommen
andere Vorgehensweise, die vor allem politisch dafür sorgt, dass die Demokratie
als solche nicht vollkommen unter die Räder kommt. Dazu gehört u.a. eine
Wirtschaftspolitik, die sich frei von Abhängigkeiten macht und sich auf
Produktion innerhalb der eigenen Grenzen konzentriert, ohne einen wirklich
fairen Handel mit anderen Weltregionen dabei außer Acht zu lassen. Das Beispiel
der jüngsten Halbleiterkrise der Firma Nexperia – verursacht durch von Trump
befohlene Ausfuhrpolitik im Handelskrieg gegen China und sklavisch umgesetzt
durch die niederländische Regierung – zeigt das deutlich auf, welche negativen
Folgen die jahrzehntelange Verlagerung in Billiglohnländer im Zuge der
Globalisierung und damit verbunden der Profitmaximierung haben. Auch die noch
immer bestehende Abhängigkeit von China und anderen asiatischen Ländern im
Hinblick auf Medikamentenrohstoffe und deren immer wieder vorkommende Knappheit
ist ein weiteres negatives Ergebnis dieser Wirtschaftspolitik aus den
vergangenen Jahrzehnten.
Ebenso muss die zuvor bereits beschriebene egoistische Kleinstaaterei
beendet werden. Solche lächerlichen Wohlstandsdespoten wie etwa Viktor Orban,
Andrej Babis oder Jaroslaw Kaschinski, die seit vielen Jahren von EU-Zuwendungen
finanziell profitieren, aus politischem Kalkül jedoch ständig gegen die Union hetzen
und agieren, müssen endlich gestutzt werden.
Auch in der Sozialpolitik muss sich viel ändern innerhalb
der EU. Die in vielen Ländern immer erfolgreicher werdenden rechtsnationalen
Parteien haben meiner Meinung nach gerade aufgrund der ebenfalls seit vielen
Jahren vorherrschenden neoliberalen Politik mit vielen sozialen Ungerechtigkeiten
ihre Ursache. Und genau das gefährdet die Demokratie und legt die Axt an ihren
Wurzeln an. Durch die rasante negative Entwicklung in den USA, die zwar
aufgrund ihres Zwei-Parteien-Systems niemals als Musterdemokratie gelten
konnte, die aber zumindest verlässlich bezüglich der Machtübergabe an den jeweils
anderen politischen Akteur war, kann man inzwischen nicht mehr ausschließen,
dass Trump zum Diktator wird, der sich seine Macht durch das Militär sichert
und alle politischen Gegner nach und nach neutralisiert. Dieses Beispiel muss
als Warnung dienen, dass wir in Europa vor ähnlichen Entwicklungen stehen, wenn
nicht radikal gegengesteuert wird. Von daher ist eine Partnerschaft, wie sie
Kallas noch immer propagiert, aus heutiger Sicht zum Scheitern verurteilt.
Selbst wenn Trump irgendwann verschwindet, hat sich in
den USA eine politische Ebene mit autokratischen und despotischen Protagonisten
wie etwa Vizepräsident Vance oder Kriegsminister (!) Hegseth gebildet, die
alles versuchen werden, um an der Macht zu bleiben. Unterstützung werden sie
bei den superreichen Geldgebern wie Musk und Konsorten finden. Nichts werden
diese einflussreichen Leute mehr fürchten, als eine Rückkehr zu alten demokratischen
Strukturen mit Gewaltenteilung und einer unabhängigen Justiz, die sie
vielleicht sogar zur Rechenschaft ziehen könnte.
Die EU muss sich endlich darüber klar werden, dass nichts
mehr so ist, wie gewohnt und dass man sich unabhängig machen muss. So
dramatisch und vielleicht auch pathetisch es klingen mag, die Staaten der
Europäischen Union müssen einen demokratischen Schutzwall bilden und ihre
Stärken bündeln. Die Konzentration auf eigenständiges wirtschaftliches Handeln –
unabhängig von den vermutlich vielfachen Bedenken der Unternehmen, die Verluste
ihrer Geschäfte befürchten, eine gerechte und über alle Mitglieder einheitliche
Steuer- und Abgabenpolitik mit deutlich gerechterer Verteilung der Lasten, eine
ebenso gerechte und vereinheitlichte Sozialpolitik und letztlich auch eine ökologisch
ausgerichtete Energiepolitik, die sich ebenfalls unabhängig von Öl- und Gas-Lieferungen
aus Russland und den USA macht, sind dabei notwendig.
Das erfordert natürlich zunächst einmal politische
Einsicht in die tatsächliche Lage von allen Beteiligten, aber vor allem danach
einen gewaltigen finanziellen und gesellschaftspolitischen Kraftakt, der jedoch
notwendig ist, um eine geopolitische Katastrophe von Europa abzuwenden. Dazu
braucht es wahrscheinlich auch viel mehr Kompetenz und zentrale Entscheidungsgewalt
der EU – auch zu Lasten der nationalen Regierungen. Das allein wird aller
Voraussicht nach die größte Hürde in der notwendigen Entwicklung sein, für die
es aus meiner Sicht jedoch keine Alternative gibt. Denn wenn das alles nicht
gelingt, braucht Elon Musk die Auflösung der EU gar nicht weiter zu fordern,
sie wird dann von ganz allein Wirklichkeit!
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