Christian und die Zockerrente

Finanzminister Christian Lindner hat zusammen mit Hubertus Heil, Minister für Arbeit und Soziales, vor kurzem eine neue Säule der Rentenfinanzierung vorgestellt. Ob es wirklich eine Säule oder eher ein baufälliges Objekt ist, wird sich mit der Zeit herausstellen. Rund 12 Milliarden Euro Startkapital wird an der Börse angelegt und soll von Finanzmarktexperten – so die Aussage der Minister – verwaltet und möglichst vermehrt werden. Im Jahr 2035 sollen es schließlich schon 200 Milliarden Euro sein, die sich u.a. aus weiteren Schuldenaufnahmen speisen.

Wer hätte das gedacht, dass der Finanzminister, der doch die Schuldenbremse für alle möglichen Sparorgien oder soziale Kürzungsfantasien als Begründung vorschiebt, plötzlich wieder Schulden macht, um einen feuchten Traum seiner Partei endlich zu verwirklichen: Die Aktienrente. Gedacht ist dieses sozialpolitische Machwerk übrigens dafür, dass die Rentenbeiträge stabil bleiben sollen – nicht etwa zur Stabilisierung oder gar Erhöhung des Rentenniveaus zu Gunsten der Bezieher. Nein, es ist mal wieder seine Klientel, die er damit zu pudern gedenkt. Höhere Rentenbeiträge bedeuten aufgrund der zumindest nominal paritätischen (!) Finanzierung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern nämlich für den Einzelnen einen geringen Anstieg, während es für die Arbeitgeber natürlich höhere Beträge bedeutet, die sie unbedingt vermeiden wollen.

Betrachtet man sich die Argumentation zu diesem Thema, dann erkennt man hier mal wieder die alten neoliberalen Rezepte und fadenscheinigen Behauptungen über die Rente. Wieder einmal wird der alte Zopf des demographischen Wandels als sozialpolitischer Kastenteufel hervorgeholt. Immer mehr Rentnerinnen und Rentner würden immer weniger Beitragszahlern gegenüberstehen. Angesichts der Tatsache, dass es mit rund 43 Millionen Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wie nie zuvor gibt, kann dies ja eigentlich nicht stimmen. Vielmehr entscheidend dabei ist, um was für Beschäftigungsverhältnisse es sich hierbei handelt. Also sozialversicherungspflichtige oder eher Billiglohnjobs. Zudem spielen die Frage Vollzeit oder Teilzeit, zudem die Höhe der Entgelte und somit auch der davon abhängigen Rentenbeiträge eine wichtige Rolle. Wer also stabile Renten und ebensolche Beiträge haben will, spricht sich am besten für gute Entgelte und sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs aus.

Aber genau das ist ja nicht im Interesse von Lindner und seinen Kolonnen. Es geht ihm bei der Aktienrente – die noch gar keine richtige Aktienrente nach ihren eigentlichen Vorstellungen ist – nur darum, den irrigen Glauben an ewiges und segensreiches Kurswachstum dafür zu nutzen, dass seine Auftraggeber zu Gunsten höherer Gewinne entlastet werden. Im Übrigen sind höhere Renten- und generell Sozialbeiträge ein Bestandteil des Bruttoentgeltes, da in Wahrheit ja sowohl der Arbeitnehmer- als auch der Arbeitgeberanteil von den Beschäftigten erwirtschaftet werden. Somit sind sinkende Beiträge Entgeltkürzungen.

Das Rentenniveau hingegen bestimmt die prozentuale Höhe der Rente gemessen am Durchschnittsverdienst in Deutschland. Das ist mit derzeit 48% im Vergleich zu früheren Jahren mit Werten um die 52% relativ niedrig und liegt im OECD-Durchschnitt gar bei über 62%. Es sollte also im Interesse der Bezieher liegen, ein möglichst hohes Rentenniveau zu erreichen – doch Fehlanzeige, dafür ist die Aktienrente nicht gedacht.

Ob es am Ende wie bereits oben geschrieben, überhaupt eine stabile Säule der Rentenfinanzierung wird, kann angesichts der aktuellen Weltlage und ihre unvorhersehbaren Auswirkungen auf die Börsenkurse wohl eher bezweifelt werden. Das Geld wäre viel besser direkt in der Rentenkasse wirksam, als damit am Finanzmarkt auf steigende Kurse und Gewinne zu wetten. Was ausgerechnet Hubertus Heil dazu bewogen hat, diese Form der Verschwendung von öffentlichen Geldern mitzutragen, wird wohl sein Geheimnis bleiben. Die Zockerrente hat jedenfalls in einem Sozialstaat nichts zu suchen.         


 

 

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