Remigriert euch ins Knie - Verbot der AfD?
Inhalt dieses konspirativen
Treffens war neben weiteren Punkten auch das Vorhaben, Millionen von Menschen mit
ausländischen Wurzeln und/oder für die Rechten unbequemen politischen
Ausrichtungen aus Deutschland deportieren zu wollen, wenn man an der Macht wäre.
Dazu soll demnach ein Gebiet in Nordafrika ausgewählt werden, in welches man
die dann Deportierten hinzubringen gedenkt, so die veröffentlichten Pläne der
Teilnehmer dieses Treffens, u.a. der österreichische (!) Rechtsextreme Martin
Sellner. Abgesehen von der Frage, wie so etwas überhaupt logistisch zu
bewerkstelligen sein würde und der Tatsache, dass man dafür eben auch ein aufnahmebereites
Land in der Region haben müsste, zeigt diese menschenverachtende aber auch
völlig abstruse Idee, welches Gedankengut in den Köpfen dieser Leute steckt.
Faschismus pur! Die aus dem Geheimtreffen herausgekommene Formulierung „Remigration“
als Schlagwort ist zu Recht inzwischen als Unwort des Jahres betitelt worden.
Diese erschreckende,
fürchterliche Ideologie hat die Menschen im Land – viele davon aus der bisher
sogenannten schweigenden Mehrheit – offenbar aufgerüttelt und zur Teilnahme an
den Protesten dagegen motiviert. Teilweise witzige Reaktionen der Demonstrierenden
wie der Ausspruch „remigriert euch ins Knie“ sind dabei auf Plakaten zu lesen
gewesen. Das deutliche Zeichen, das dadurch ausgesendet wird, hat seine
Empfänger offensichtlich erreicht. Der umgehend sicht- und lesbare Beißreflex
von AfD und Konsorten verdeutlicht dies anschaulich. Der bisherige politische
Fachreferent der Co-Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, ist umgehend
nach Bekanntwerden dieses Treffens entlassen worden. Dass dies aus echter
Empörung Weidels über die Teilnahme ihres Vertrauten an dem Treffen in Potsdam
geschehen ist, glauben sicher nur die Wenigsten.
Auch ansonsten gibt es
reichlich Reaktionen aus der rechten Ecke. Thüringens AfD- Vorsitzender Björn
Höcke mutmaßte, dass die Bilder von den vielen Demonstrationsteilnehmern
gefälscht seien und verglich Demozüge mit Handylampen sogleich mit den
Fackelumzügen der SA in den 1930er Jahren. Dies ist übrigens ein für ihn
typisches Verhalten, als Reaktion auf für ihn unangenehme Situationen oder
Aussagen Vergleiche mit jener Zeit zu ziehen, die er sich doch insgeheim wieder
zurückwünscht, wie man aus seinen Schriften und Veröffentlichungen erkennen
kann. Der Vorsitzende der „Freien Wähler“, Hubert Aiwanger, sieht gar lauter
Linksextremisten am Werk und erwartet in einem Post auf X, dass es jetzt doch
seitens der Regierung Maßnahmen gegen die Proteste geben müsse. Schließlich
habe man den Bauernprotesten auch unterstellt, sie seien von Rechten
unterwandert, so der bayrische Vizeministerpräsident.
Offenbar fürchtet man auf
Seiten der Rechten solche öffentlichen Proteste gegen sie und ihre
Machenschaften und Ideologien, da dies Wählerstimmen derjenigen kosten könnte,
die in der AfD bisher immer noch nur eine besonders konservative Partei des
demokratischen Spektrums gesehen haben oder sie tatsächlich aus Protest wählen
wollen. Wie entscheidend das für die kommenden Landtagswahlen in Sachsen,
Thüringen und Brandenburg sein wird, ist jetzt noch nicht absehbar – zumal diese
Wahlen erst im September dieses Jahres stattfinden. So lange wird die Welle der
Empörung mit Sicherheit nicht anhalten.
Generell muss jedoch die
Diskussion um ein mögliches Parteiverbot der AfD weitergeführt und aufrechterhalten
werden. Die Vernetzung dieser Partei mit den sogenannten „neuen Rechten“ aus
dem Umfeld verschiedener Organisationen wie dem „Dritten Weg“ oder die „Identitären“
ist mehr als offensichtlich. Schließlich sind eine Menge der Funktionäre als
Angestellte der Bundestagsfraktion der AfD tätig und solche Netzwerktreffen wie
in Potsdam sind mit Sicherheit keine Einzelfälle. Ist also ein Parteiverbot der
richtige Ansatz?
Aus Sicht auffallend vieler
Konservativer scheint das nicht der Fall zu sein. Der ehemalige Bundespräsident
Joachim Gauck spricht sich ebenso dagegen aus, wie der sächsische
Ministerpräsident Kretschmer. Auch Markus Söder und Friedrich Merz sind gegen
ein Parteienverbot der AfD. Ebenso viele der ihnen nahestehenden Medien und Politikwissenschaftler.
Die Argumente sind vielfach die gleichen. Zunächst einmal plädiert man dafür,
sich inhaltlich mehr mit den Themen und Aussagen der AfD und anderer Rechtsextremer
auseinanderzusetzen und sie zu widerlegen. Das ist bei dem zumeist populistischen
Geschrei dieser Gruppierungen nicht ganz einfach – zumal man dies ja nicht erst
jetzt, sondern schon seit vielen Jahren hätte tun müssen. Ohne Frage ist die Angst
vor dem sozialen Abstieg in der Mitte der Gesellschaft einer der Gründe für die
Hinwendung der Wählerinnen und Wähler zu rechten Parteien und deren
vermeintliche Lösungen. Das kann man z.B. anhand der sogenannten „Mitte-Studien“
der Friedrich-Ebert-Stiftung schon seit langem erkennen. Und die politische
Ausrichtung der letzten vierzig Jahre hat nicht gerade dazu beigetragen, dass
sich die Gefühle der sozialen Sicherheit oder der Gerechtigkeit in diesem Land
verbessert hätten.
Ein weiteres Argument gegen
einen Verbotsantrag wird mit dessen möglichem Scheitern begründet. Das ist in
der Tat nicht von der Hand zu weisen. Aber dem steht entgegen, dass so ein
Antrag, den der Bundestag oder der Bundesrat stellen können, selbstverständlich
gut vorbereitet und mit Fakten untermauert werden muss. Was aber soll denn noch
deutlicher auf die Verfassungsfeindlichkeit der AfD und deren Vorhaben, die
Demokratie zu überwinden hinweisen, als genau die vielfältigen Aussagen und
Handlungsweisen der Mitglieder dieser Partei? Sie ist inzwischen in drei
Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft. In weiteren Bundesländern
wird sie von den Verfassungsschutzämtern beobachtet und als Verdachtsfälle
eingestuft. Was glaubt man wohl, käme dabei heraus, wenn diese Partei
tatsächlich einmal die absolute Mehrheit im Bundestag erreichen würde?
Natürlich sollen sich die
demokratischen Kräfte mit demokratischen Mitteln gegen solche Umtriebe wehren. Aber
eine Organisation, die eben diese Demokratie notfalls (oder gerne) auch mit
Gewalt beseitigen will, kann nur durch ein Verbot daran gehindert werden.
Selbstverständlich werden ihre Protagonisten dann nicht plötzlich geläutert und
sie werden versuchen, sich erneut zu formieren. Aber man entzieht ihnen
zunächst die Basis und die Schlagkräftigkeit, indem z.B. auch die durch die
Parteienfinanzierung gegebenen Geldmittel entfallen. Und selbst wenn ein Verbot
vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde, können und müssen die demokratischen
Parteien und Organisationen gerade dann deutlich machen, dass sie sich
gemeinsam und deutlich von rechtsextremen Tendenzen distanzieren und vor allem
nicht von der AfD vor sich hertreiben lassen, indem man versucht, sie inhaltlich
zu kopieren.
Der damals gescheiterte
Antrag gegen die NPD ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vor
allem mit deren Nichtigkeit in der politischen Landschaft begründet gewesen.
Das kann man angesichts der Umfragewerte der AfD vor allem in den ostdeutschen
Bundesländern aber nicht argumentieren. In Sachsen könnte die Partei vielleicht
die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im September holen.
Diese Gefahr wird man nicht
durch politisches Lamentieren oder Agieren am rechten Rand los. Politiker wie
Markus Söder oder Hubert Aiwanger versuchen in diesem Teich zu fischen und
werden am Ende scheitern – wobei Aiwanger mit seiner Vergangenheit und seinen
öffentlich geäußerten Ansichten ganz gut einen Platz in der rechten Riege
finden könnte. Die AfD muss jedoch jetzt durch einen Verbotsantrag gestoppt
werden. Dieses Vorhaben muss man offensiv und gleichzeitig transparent durch
die demokratischen Institutionen begleiten, damit es zum Erfolg wird. Viele
Menschen haben bei den aktuellen Demonstrationen deutlich gezeigt, dass sie für
den Erhalt der Demokratie stehen – dem muss die Politik gerecht werden.
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