Remigriert euch ins Knie - Verbot der AfD?


 Über 500.000 Menschen haben sich in den vergangenen Tagen (Januar 2024 – allein 200.000 am 21.1. in München!) an Demonstrationen gegen Rechtsextreme und Faschisten und für den Erhalt der Demokratie beteiligt. Auslöser dieser beeindruckenden und eigentlich gar nicht so groß geplanten Kundgebungen war u.a. sicher das sogenannte Geheimtreffen rechter Gruppierungen (darunter Funktionäre der AfD und der „Werteunion“) in Podsdam, welches von dem investigativen Recherchenetzwerk Correctiv beobachtet und dann in die Öffentlichkeit gebracht wurde.

 

Inhalt dieses konspirativen Treffens war neben weiteren Punkten auch das Vorhaben, Millionen von Menschen mit ausländischen Wurzeln und/oder für die Rechten unbequemen politischen Ausrichtungen aus Deutschland deportieren zu wollen, wenn man an der Macht wäre. Dazu soll demnach ein Gebiet in Nordafrika ausgewählt werden, in welches man die dann Deportierten hinzubringen gedenkt, so die veröffentlichten Pläne der Teilnehmer dieses Treffens, u.a. der österreichische (!) Rechtsextreme Martin Sellner. Abgesehen von der Frage, wie so etwas überhaupt logistisch zu bewerkstelligen sein würde und der Tatsache, dass man dafür eben auch ein aufnahmebereites Land in der Region haben müsste, zeigt diese menschenverachtende aber auch völlig abstruse Idee, welches Gedankengut in den Köpfen dieser Leute steckt. Faschismus pur! Die aus dem Geheimtreffen herausgekommene Formulierung „Remigration“ als Schlagwort ist zu Recht inzwischen als Unwort des Jahres betitelt worden.

 

Diese erschreckende, fürchterliche Ideologie hat die Menschen im Land – viele davon aus der bisher sogenannten schweigenden Mehrheit – offenbar aufgerüttelt und zur Teilnahme an den Protesten dagegen motiviert. Teilweise witzige Reaktionen der Demonstrierenden wie der Ausspruch „remigriert euch ins Knie“ sind dabei auf Plakaten zu lesen gewesen. Das deutliche Zeichen, das dadurch ausgesendet wird, hat seine Empfänger offensichtlich erreicht. Der umgehend sicht- und lesbare Beißreflex von AfD und Konsorten verdeutlicht dies anschaulich. Der bisherige politische Fachreferent der Co-Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, ist umgehend nach Bekanntwerden dieses Treffens entlassen worden. Dass dies aus echter Empörung Weidels über die Teilnahme ihres Vertrauten an dem Treffen in Potsdam geschehen ist, glauben sicher nur die Wenigsten.

 

Auch ansonsten gibt es reichlich Reaktionen aus der rechten Ecke. Thüringens AfD- Vorsitzender Björn Höcke mutmaßte, dass die Bilder von den vielen Demonstrationsteilnehmern gefälscht seien und verglich Demozüge mit Handylampen sogleich mit den Fackelumzügen der SA in den 1930er Jahren. Dies ist übrigens ein für ihn typisches Verhalten, als Reaktion auf für ihn unangenehme Situationen oder Aussagen Vergleiche mit jener Zeit zu ziehen, die er sich doch insgeheim wieder zurückwünscht, wie man aus seinen Schriften und Veröffentlichungen erkennen kann. Der Vorsitzende der „Freien Wähler“, Hubert Aiwanger, sieht gar lauter Linksextremisten am Werk und erwartet in einem Post auf X, dass es jetzt doch seitens der Regierung Maßnahmen gegen die Proteste geben müsse. Schließlich habe man den Bauernprotesten auch unterstellt, sie seien von Rechten unterwandert, so der bayrische Vizeministerpräsident.

 

Offenbar fürchtet man auf Seiten der Rechten solche öffentlichen Proteste gegen sie und ihre Machenschaften und Ideologien, da dies Wählerstimmen derjenigen kosten könnte, die in der AfD bisher immer noch nur eine besonders konservative Partei des demokratischen Spektrums gesehen haben oder sie tatsächlich aus Protest wählen wollen. Wie entscheidend das für die kommenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg sein wird, ist jetzt noch nicht absehbar – zumal diese Wahlen erst im September dieses Jahres stattfinden. So lange wird die Welle der Empörung mit Sicherheit nicht anhalten.

 

Generell muss jedoch die Diskussion um ein mögliches Parteiverbot der AfD weitergeführt und aufrechterhalten werden. Die Vernetzung dieser Partei mit den sogenannten „neuen Rechten“ aus dem Umfeld verschiedener Organisationen wie dem „Dritten Weg“ oder die „Identitären“ ist mehr als offensichtlich. Schließlich sind eine Menge der Funktionäre als Angestellte der Bundestagsfraktion der AfD tätig und solche Netzwerktreffen wie in Potsdam sind mit Sicherheit keine Einzelfälle. Ist also ein Parteiverbot der richtige Ansatz?

 

Aus Sicht auffallend vieler Konservativer scheint das nicht der Fall zu sein. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck spricht sich ebenso dagegen aus, wie der sächsische Ministerpräsident Kretschmer. Auch Markus Söder und Friedrich Merz sind gegen ein Parteienverbot der AfD. Ebenso viele der ihnen nahestehenden Medien und Politikwissenschaftler. Die Argumente sind vielfach die gleichen. Zunächst einmal plädiert man dafür, sich inhaltlich mehr mit den Themen und Aussagen der AfD und anderer Rechtsextremer auseinanderzusetzen und sie zu widerlegen. Das ist bei dem zumeist populistischen Geschrei dieser Gruppierungen nicht ganz einfach – zumal man dies ja nicht erst jetzt, sondern schon seit vielen Jahren hätte tun müssen. Ohne Frage ist die Angst vor dem sozialen Abstieg in der Mitte der Gesellschaft einer der Gründe für die Hinwendung der Wählerinnen und Wähler zu rechten Parteien und deren vermeintliche Lösungen. Das kann man z.B. anhand der sogenannten „Mitte-Studien“ der Friedrich-Ebert-Stiftung schon seit langem erkennen. Und die politische Ausrichtung der letzten vierzig Jahre hat nicht gerade dazu beigetragen, dass sich die Gefühle der sozialen Sicherheit oder der Gerechtigkeit in diesem Land verbessert hätten.  

 

Ein weiteres Argument gegen einen Verbotsantrag wird mit dessen möglichem Scheitern begründet. Das ist in der Tat nicht von der Hand zu weisen. Aber dem steht entgegen, dass so ein Antrag, den der Bundestag oder der Bundesrat stellen können, selbstverständlich gut vorbereitet und mit Fakten untermauert werden muss. Was aber soll denn noch deutlicher auf die Verfassungsfeindlichkeit der AfD und deren Vorhaben, die Demokratie zu überwinden hinweisen, als genau die vielfältigen Aussagen und Handlungsweisen der Mitglieder dieser Partei? Sie ist inzwischen in drei Bundesländern als gesichert rechtsextrem eingestuft. In weiteren Bundesländern wird sie von den Verfassungsschutzämtern beobachtet und als Verdachtsfälle eingestuft. Was glaubt man wohl, käme dabei heraus, wenn diese Partei tatsächlich einmal die absolute Mehrheit im Bundestag erreichen würde?

 

Natürlich sollen sich die demokratischen Kräfte mit demokratischen Mitteln gegen solche Umtriebe wehren. Aber eine Organisation, die eben diese Demokratie notfalls (oder gerne) auch mit Gewalt beseitigen will, kann nur durch ein Verbot daran gehindert werden. Selbstverständlich werden ihre Protagonisten dann nicht plötzlich geläutert und sie werden versuchen, sich erneut zu formieren. Aber man entzieht ihnen zunächst die Basis und die Schlagkräftigkeit, indem z.B. auch die durch die Parteienfinanzierung gegebenen Geldmittel entfallen. Und selbst wenn ein Verbot vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde, können und müssen die demokratischen Parteien und Organisationen gerade dann deutlich machen, dass sie sich gemeinsam und deutlich von rechtsextremen Tendenzen distanzieren und vor allem nicht von der AfD vor sich hertreiben lassen, indem man versucht, sie inhaltlich zu kopieren.

 

Der damals gescheiterte Antrag gegen die NPD ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vor allem mit deren Nichtigkeit in der politischen Landschaft begründet gewesen. Das kann man angesichts der Umfragewerte der AfD vor allem in den ostdeutschen Bundesländern aber nicht argumentieren. In Sachsen könnte die Partei vielleicht die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im September holen.

 

Diese Gefahr wird man nicht durch politisches Lamentieren oder Agieren am rechten Rand los. Politiker wie Markus Söder oder Hubert Aiwanger versuchen in diesem Teich zu fischen und werden am Ende scheitern – wobei Aiwanger mit seiner Vergangenheit und seinen öffentlich geäußerten Ansichten ganz gut einen Platz in der rechten Riege finden könnte. Die AfD muss jedoch jetzt durch einen Verbotsantrag gestoppt werden. Dieses Vorhaben muss man offensiv und gleichzeitig transparent durch die demokratischen Institutionen begleiten, damit es zum Erfolg wird. Viele Menschen haben bei den aktuellen Demonstrationen deutlich gezeigt, dass sie für den Erhalt der Demokratie stehen – dem muss die Politik gerecht werden.        


 

 

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Krieg der Klassen

Lieber Trash statt Bildung

Er ist leider wieder da ...