Die Radikalen?
„Stoppt die Radikalen“, so war kürzlich der Kommentar eines Leitartikels in der Braunschweiger/ Salzgitter Zeitung überschrieben. Gemeint mit den Radikalen sind die Gewerkschaften – hier vor allem mal wieder die GDL (Gewerkschaft der Lokomotivführer), die sich zu dem Zeitpunkt erneut im Streik befand.
Dies war lediglich ein weiterer Höhepunkt in der Kampagne der Presse gegen den Streik bei der Bahn. Die Rufe nach Zwangsschlichtung und dem Eingreifen der Politik waren und sind ebenso Bestandteil dieser Hetzjagd auf Gewerkschaftsrechte, wie die Personifizierung dieser Auseinandersetzung am Beispiel von Claus Weselsky, dem Vorsitzenden der GDL. Vor allem wieder einmal „BILD“ tat sich mit einem regelrechten Lynchjournalismus hervor und stellte Weselsky als machthungrigen Despoten und Alleinverantwortlichen dar, als hätte es nicht zuvor auch bei der GDL eine Urabstimmung unter den Mitgliedern der Gewerkschaft vor dem Streik gegeben, den eine große Mehrheit dann befürwortete. Zwar beschränkte man sich während der Streikphase der Eisenbahner seitens der Presse mit der Schelte immer auf die kleinen, sogenannten Spartengewerkschaften, gemeint sind aber im Grunde alle Arbeitnehmervertreter.
Wer sich mal die Mühe macht und die Argumentationskette verfolgt, wird dies sehr schnell feststellen. Da wird doch tatsächlich ernsthaft kritisiert, dass der Streik Auswirkungen auf die Wirtschaft habe, als wäre das nicht genau der Sinn eines Arbeitskampfes. Die einzige Möglichkeit der Beschäftigten in einer Tarifauseinandersetzung ist nun mal die Niederlegung der Arbeit. Und was bitte schön sollen Lokomotivführer, Piloten, Fluglotsen aber auch alle anderen Arbeitnehmer/Innen denn ansonsten niederlegen, als genau ihre Tätigkeit, wenn sie streiken wollen?
Ja, das hat in vielen Fällen auch Auswirkungen auf andere Menschen. Doch die Behauptung, dass die Gewerkschafter dies „auf dem Rücken der ...“ täten, ist so verlogen, wie sie falsch ist. Weshalb macht man denn nicht mal die Arbeitgeber dafür verantwortlich und schreibt, dass ihre starre Haltung zu Lasten der Reisenden, der Eltern etc. geht?
Was nun die bisherige Begrenzung der Medienkampagne auf die besagten Spartengewerkschaften angeht, hat sich das Blatt inzwischen auch gewendet. Wurden die DGB-Gewerkschaften bis eben noch für ihr „Verantwortungsbewusstsein“ in Tarifverhandlungen gelobt, wird nun beim Streik der Sozialarbeiter und städtischen Erzieher/Innen, die zumeist bei ver.di organisiert sind, ebenfalls ins gleiche Horn gestoßen. Von „überzogenen Forderungen“ ist die Rede und sogleich wird in der Braunschweiger/ Salzgitter Zeitung wieder auf zwei ganzen Seiten darüber berichtet, wie schwer der Streik die berufstätigen Eltern belastet.
An dieser Stelle wird spätestens deutlich, dass jede Gewerkschaft Ziel der gesteuerten Medienkampagnen werden kann, wenn sie es wagt, über die übliche Gebühr hinaus Interessen der Arbeitnehmer/Innen zu vertreten. Nicht die unstillbare Gier der Konzerne und Aktionäre nach Renditen und Gewinne, nicht die Millionen, die sich die Vorstände in die Tasche stecken und nicht der ewig gleiche kapitalistische Wachstumsfetischismus, nein, die berechtigten Forderungen der Beschäftigten nach ihrem Anteil werden kritisiert – das ist der übliche Zeitgeist in unserer Gesellschaft. Und der wird von dieser Gesellschaft, die doch zum größten Teil aus abhängig Beschäftigten besteht, auch noch bestätigt. Man braucht sich bloß mal Leserbriefe und Onlinekommentare zu dem Thema anzuschauen. „Streikrecht ja, aber ...“
Um das noch einmal klarzustellen: Spartengewerkschaften wie die GDL, Cockpit, U.F.O und dergleichen sind in sofern unsolidarisch, als sie nur bestimmte Beschäftigtengruppen vertreten. Trotzdem sollten Gewerkschaften das Recht auf die Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder haben – und zwar ohne Druck durch die Medien und vor allem auch ohne Einmischung der Politik durch entsprechende Gesetze. Das in dieser Woche gerade verabschiedete sogenannte Tarifeinheitsgesetz ist ein weiterer Nagel im Sarg der im Grundgesetz garantierten Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer/Innen. Wenn sich zwei konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb nicht einig sind, soll künftig nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Vereinigung gelten.
Was auf den ersten Blick vielleicht vor allem für die DGB-Gewerkschaften vorteilhaft scheint, ist es in Wahrheit aber nicht. Leider wird die Gefahr von einigen Kolleginnen und Kollegen nicht erkannt. Es gibt nämlich nicht nur die großen, gut organisierten Betriebe, sondern auch viele Mittelständler oder Handwerksbetriebe, die das neue Gesetz für sich ausnutzen könnten. Die ohnehin in Mode kommende Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften könnte nun weitere Unterstützung bekommen. Selbst der Flächentarif ist durch das Gesetz in Gefahr. Das Beispiel Siemens zeigt, wie schnell eine der arbeitgeberfreundlichen sogenannten gelben Gewerkschaften gegründet ist und z.B. in der Leiharbeitsbranche war es weit verbreitet üblich, Beschäftigte gleich bei der Einstellung zwangsweise in die christlichen Gewerkschaft eintreten zu lassen. Bei der Kombination dieser beiden Praktiken könnte z.B. auch die IG Metall in einem Betrieb mit den nicht unüblichen 15% Organisationsgrad sehr schnell selbst die kleinere Gewerkschaft werden. Tritt der Arbeitgeber aus dem Verband aus und kommt es zu einem Haustarif der „Gelben“ ist die tarifliche Niederlage für uns und der dem Arbeitgeber genehme Tarifvertrag schnell hergestellt.
Kein Gesetz und keine Eigenbrödlerei hilft den Arbeitnehmer/Innen also, sondern nur die Solidarität und das gemeinsame Handeln ... und die Einsicht der Menschen, die vielleicht mal von einem Streik betroffen sind, dass auch sie sich organisieren müssen, um ihre Interessen als abhängig Beschäftigte zu wahren. Mit Radikalität hat das gar nichts zu tun. Radikal ist und bleibt das kapitalistische System!
Dies war lediglich ein weiterer Höhepunkt in der Kampagne der Presse gegen den Streik bei der Bahn. Die Rufe nach Zwangsschlichtung und dem Eingreifen der Politik waren und sind ebenso Bestandteil dieser Hetzjagd auf Gewerkschaftsrechte, wie die Personifizierung dieser Auseinandersetzung am Beispiel von Claus Weselsky, dem Vorsitzenden der GDL. Vor allem wieder einmal „BILD“ tat sich mit einem regelrechten Lynchjournalismus hervor und stellte Weselsky als machthungrigen Despoten und Alleinverantwortlichen dar, als hätte es nicht zuvor auch bei der GDL eine Urabstimmung unter den Mitgliedern der Gewerkschaft vor dem Streik gegeben, den eine große Mehrheit dann befürwortete. Zwar beschränkte man sich während der Streikphase der Eisenbahner seitens der Presse mit der Schelte immer auf die kleinen, sogenannten Spartengewerkschaften, gemeint sind aber im Grunde alle Arbeitnehmervertreter.
Wer sich mal die Mühe macht und die Argumentationskette verfolgt, wird dies sehr schnell feststellen. Da wird doch tatsächlich ernsthaft kritisiert, dass der Streik Auswirkungen auf die Wirtschaft habe, als wäre das nicht genau der Sinn eines Arbeitskampfes. Die einzige Möglichkeit der Beschäftigten in einer Tarifauseinandersetzung ist nun mal die Niederlegung der Arbeit. Und was bitte schön sollen Lokomotivführer, Piloten, Fluglotsen aber auch alle anderen Arbeitnehmer/Innen denn ansonsten niederlegen, als genau ihre Tätigkeit, wenn sie streiken wollen?
Ja, das hat in vielen Fällen auch Auswirkungen auf andere Menschen. Doch die Behauptung, dass die Gewerkschafter dies „auf dem Rücken der ...“ täten, ist so verlogen, wie sie falsch ist. Weshalb macht man denn nicht mal die Arbeitgeber dafür verantwortlich und schreibt, dass ihre starre Haltung zu Lasten der Reisenden, der Eltern etc. geht?
Was nun die bisherige Begrenzung der Medienkampagne auf die besagten Spartengewerkschaften angeht, hat sich das Blatt inzwischen auch gewendet. Wurden die DGB-Gewerkschaften bis eben noch für ihr „Verantwortungsbewusstsein“ in Tarifverhandlungen gelobt, wird nun beim Streik der Sozialarbeiter und städtischen Erzieher/Innen, die zumeist bei ver.di organisiert sind, ebenfalls ins gleiche Horn gestoßen. Von „überzogenen Forderungen“ ist die Rede und sogleich wird in der Braunschweiger/ Salzgitter Zeitung wieder auf zwei ganzen Seiten darüber berichtet, wie schwer der Streik die berufstätigen Eltern belastet.
An dieser Stelle wird spätestens deutlich, dass jede Gewerkschaft Ziel der gesteuerten Medienkampagnen werden kann, wenn sie es wagt, über die übliche Gebühr hinaus Interessen der Arbeitnehmer/Innen zu vertreten. Nicht die unstillbare Gier der Konzerne und Aktionäre nach Renditen und Gewinne, nicht die Millionen, die sich die Vorstände in die Tasche stecken und nicht der ewig gleiche kapitalistische Wachstumsfetischismus, nein, die berechtigten Forderungen der Beschäftigten nach ihrem Anteil werden kritisiert – das ist der übliche Zeitgeist in unserer Gesellschaft. Und der wird von dieser Gesellschaft, die doch zum größten Teil aus abhängig Beschäftigten besteht, auch noch bestätigt. Man braucht sich bloß mal Leserbriefe und Onlinekommentare zu dem Thema anzuschauen. „Streikrecht ja, aber ...“
Um das noch einmal klarzustellen: Spartengewerkschaften wie die GDL, Cockpit, U.F.O und dergleichen sind in sofern unsolidarisch, als sie nur bestimmte Beschäftigtengruppen vertreten. Trotzdem sollten Gewerkschaften das Recht auf die Durchsetzung der Interessen ihrer Mitglieder haben – und zwar ohne Druck durch die Medien und vor allem auch ohne Einmischung der Politik durch entsprechende Gesetze. Das in dieser Woche gerade verabschiedete sogenannte Tarifeinheitsgesetz ist ein weiterer Nagel im Sarg der im Grundgesetz garantierten Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer/Innen. Wenn sich zwei konkurrierende Gewerkschaften in einem Betrieb nicht einig sind, soll künftig nur der Tarifvertrag der mitgliederstärksten Vereinigung gelten.
Was auf den ersten Blick vielleicht vor allem für die DGB-Gewerkschaften vorteilhaft scheint, ist es in Wahrheit aber nicht. Leider wird die Gefahr von einigen Kolleginnen und Kollegen nicht erkannt. Es gibt nämlich nicht nur die großen, gut organisierten Betriebe, sondern auch viele Mittelständler oder Handwerksbetriebe, die das neue Gesetz für sich ausnutzen könnten. Die ohnehin in Mode kommende Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften könnte nun weitere Unterstützung bekommen. Selbst der Flächentarif ist durch das Gesetz in Gefahr. Das Beispiel Siemens zeigt, wie schnell eine der arbeitgeberfreundlichen sogenannten gelben Gewerkschaften gegründet ist und z.B. in der Leiharbeitsbranche war es weit verbreitet üblich, Beschäftigte gleich bei der Einstellung zwangsweise in die christlichen Gewerkschaft eintreten zu lassen. Bei der Kombination dieser beiden Praktiken könnte z.B. auch die IG Metall in einem Betrieb mit den nicht unüblichen 15% Organisationsgrad sehr schnell selbst die kleinere Gewerkschaft werden. Tritt der Arbeitgeber aus dem Verband aus und kommt es zu einem Haustarif der „Gelben“ ist die tarifliche Niederlage für uns und der dem Arbeitgeber genehme Tarifvertrag schnell hergestellt.
Kein Gesetz und keine Eigenbrödlerei hilft den Arbeitnehmer/Innen also, sondern nur die Solidarität und das gemeinsame Handeln ... und die Einsicht der Menschen, die vielleicht mal von einem Streik betroffen sind, dass auch sie sich organisieren müssen, um ihre Interessen als abhängig Beschäftigte zu wahren. Mit Radikalität hat das gar nichts zu tun. Radikal ist und bleibt das kapitalistische System!
Kommentare
Kommentar veröffentlichen